Mit seinen 28 Jahren gehört der Bassist Rafael Jerjen zu den größten Talenten, die die kleine, aber feine Jazz-Szene Australiens zu bieten hat. Der gebürtige Schweizer ist kein Freund enger Korsetts und Vorgaben. Im Gegenteil: sein Rafael Jerjen Concept ist ein kompositorischer Spielplatz. Darauf entwickelt er Stücke mit wechselnden Musikern für unterschiedliche Formationen. Nach einer Quintett- und einer Septett-Besetzung (in der er Hank Mobleys‘ Meilenstein „Soul Station“ in neuem Glanz erstrahlen ließ), widmet er sich nun auf Tricept der Königsdisziplin: dem Jazz-Trio.
Das Coverfoto zeigt drei gleich große, sich überlappende Dreiecke , die die Philosophie des Bassisten erklären. „Das Interplay ist für mich von zentraler Bedeutung. Wir Drei führen ein musikalisches Gespräch auf einer Ebene und tragen in gleichem Umfang zu den Kompositionen bei“, erläutert Jerjen sein Trio-Konzept, in das er den Kontrabass ausdrücklich einschließt. „Der Bass ist ein enorm wohlklingendes und sonores Instrument – viel zu schade, um ihn einfach nur in die Stücke hinein zu quetschen oder ihn auf die Rolle des begleitenden Walking Bass zu reduzieren.“
Jerjens melodiöses Bassspiel – mal gefühlvoll verträumt, mal
groovig-zupackend - ist nur EIN Faktor, mit dem sich sein Ensemble
aus der Masse der Dreier-Formationen abhebt. „Vor allem in den USA
beobachte ich einen Trend zu einfach gehaltenen Kompositionen in
vergleichsweise poppigen Gewändern. Das hat natürlich seine
Berechtigung. Aber meine Stücke klingen rauer und energetischer.
Freie Elemente schaffen Raum für Improvisationen. Außerdem
wechseln wir innerhalb der Stücke oft mehrmals das Metrum, was uns
einen Energieschub verleiht“, erklärt der Bassist den besonderen
Sound von Tricept.
"Tricept"
10 Tracks / 53:09 Min. / 2017 / Katalognummer: 3510348.2
Format: CD
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Rafael Jerjen bass
Michael Arbenz piano
Samuel Büttiker drums
Titel:
01.The Bigger Picture (Rafael Jerjen) 05:49
02.Detective Känzig (Rafael Jerjen) 04:54
03.Two Sleepy People (Hoagy Carmichael) 05:18
04.Entre Le Boeuf (Traditional arr. by Rafael Jerjen) 06:49
05.Hommage au Fromage (Rafael Jerjen) 02:57
06.Waking with a Start (Michael Arbenz) 04:14
07.The Ritual (Rafael Jerjen) 06:50
08.St. Thomas (Sonny Rollins arr. Rafael Jerjen) 04:15
09.Sunset in Berlin (Rafael Jerjen) 04:32
10.Partykal (Rafael Jerjen) 07:24
Rafael
Jerjen war gerade sechs Jahre alt, als er die Schweiz mit
seinen Eltern in Richtung Australien verließ. Obwohl
Canberra längst zu seiner Homebase geworden ist, lässt er in
seinen neuen Kompositionen deutlich erkennen, wie viel ihn
noch immer mit den Eidgenossen verbindet. In Hommage au
Fromage etwa, sendet er eine humorvolle Liebeserklärung an
seinen Lieblingskäse, den Romande Gruyères (Greyerzer), auf
den er auf dem Fünften Kontinent zu seinem Bedauern
verzichten muss. In Entre Le Boeuf steht dagegen kein
schmackhafter Rinderbraten im Mittelpunkt - wie man zunächst
vermuten könnte - sondern ein traditionelles,
schweizerisches Weihnachtslied. „Zwischen Ochsen und Eseln“
lautet die Übersetzung dieser stimmungsvollen Ballade, die
Jerjen neu arrangiert hat. Der Titel bezieht sich auf die
Weihnachtsgeschichte, nach der Jesus in einem Stall zur Welt
kam. Doch statt nach Betlehem entführen Jerjen und Drummer
Samuel Büttiker die Hörenden im Intro auf eine helvetische
Alm, indem sie die Klänge eines Alphorns (Jerjen) und
Kuhglocken (Büttiker) imitieren. „Wenn ich komponiere, habe
ich meistens eine klare Szenerie im Kopf. Das ist wie ein
kleiner Film, der vor meinen Augen abläuft“, erklärt Jerjen
und ergänzt: „Hier war es der Alm-Öhi, der sich mit seinen
Tieren und seiner Familie – und möglicherweise ja auch mit
Heidi - auf Weihnachten vorbereitet.“ Humor und Leichtigkeit
sind wichtige Begleiter, wenn Jerjen zu Notenblatt und Stift
greift. Das Balladen-artige The Ritual klingt zwar entspannt
und verträumt, hat aber einen vergleichsweise aufregenden
Hintergrund. „An jedem Ort, an dem wir bisher lebten, haben
meine Frau und ich es irgendwie geschafft, uns aus unserer
Wohnung auszusperren. Vor allem mir passiert so etwas in
denkbar ungünstigen Momenten. Zum Beispiel wenn ich in
kurzen Hosen und T-Shirt nur kurz vor die Tür gehen wollte.
Der Anruf beim Schlüsselnotdienst und der bange Blick auf
die Uhr, wie lange es wohl dauern mag, bis die missliche
Lage bereinigt ist – das alles ist für uns in den
vergangenen Jahren zu einer Art Ritual geworden“, schmunzelt
Jerjen. Der musikalische Weltenbummler ist viel
herumgekommen in den vergangenen Jahren. Besonders gerne
denkt Jerjen an seine Monate in Berlin zurück. Den
imposanten Sonnenuntergängen, die er von seinem Balkon in
Kreuzberg aus beobachten konnte – wenn die Backsteinfassaden
das Rot der Sonne reflektieren – hat er mit Sunset in Berlin
ein grandioses Stück gewidmet. Hier setzen Schlagzeug und
Klavier zunächst einen bewussten Kontrapunkt zu Jerjens
relaxtem Bassmotiv, ehe die Komposition auf der Zielgeraden
an Fahrt und Harmonie aufnimmt und in einem energetischen
Finale kulminiert. Den plötzlichen Stimmungswechsel erklärt
Jerjen so: „Nachdem die letzten Sonnenstrahlen erloschen
sind, beginnt die Zeit der Nachtschwärmer, die aus den
Straßen, Clubs und Bars eine flirrende Metropole machen.“
"Soul Station Return"
08 Tracks / 48:55 Min. / 2015 / Katalognummer: 3510319.2
Format: CD
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Brian Scanlon alto saxophone
Bob Sheppard tenor saxophone, bass clarinet
Kye Palmer trumpet, flugel horn
Bob McChesney trombone
Bill Cunliffe piano, rhodes
Rafael Jerjen double bass, electric bass
Joe LaBarbera drums
Was
„Kind of Blue“ für Miles Davis und „Giant Steps“ für John
Coltrane bedeutete, war “Soul Station” für Hank Mobley. Ein
Meilenstein der Jazzgeschichte, mit dem der US-Saxofonist
1960 seinen größten Erfolg feierte. Eine Produktion aus dem
Hause Blue Note, für dessen Einspielung das Label-Management
Mobley Ausnahmemusiker wie Art Blakey, Paul Chambers und
Wynton Kelly zur Seite stellte. 55 Jahre nach Erscheinen von
„Soul Station“ erklingt die Hardbop-Perle nun in einem neuen
Gewand. Auf „Soul Station – Return“ wahrt der
australisch-schweizerische Bassist Rafael Jerjen den Geist
des Originals, entwickelt es aber auch deutlich weiter. „Ich
fand es reizvoll, das ursprünglich im Quartett eingespielte
Album um diverse Stimmen und Stimmungen zu erweitern“,
erklärt der 26-jährige Bassist, der zu den größten Talenten
zählt, den die kleine, aber feine australische Jazz-Szene in
den vergangenen Jahren hervorgebracht hat. Und so wurde aus
dem Quartett ein Septett, bestehend aus Jerjen am Kontrabass
und E-Bass, sowie sechs renommierten Jazzern aus Los Angeles
– unter ihnen Joe La Barbera, der unter anderem für Bill
Evans trommelte, und Grammy-Gewinner Bill Cunliffe
(Klavier).